Stell dir vor, du bist im Urlaub! Egal wo. Du schlenderst durch die Altstadt, genießt die unbekannte Umgebung, die Gerüche, die Geräusche…blickst in die Schaufenster und betrittst schließlich auch ein kleines, lokales Geschäft. Du siehst dich um, bewunderst die Auslagen, saugst die Atmosphäre, die dort herrscht, auf und trittst wieder hinaus mit einem Gefühl des Glücks und tiefer Zufriedenheit. Die Gerüche, die Farben und die Gegenstände bleiben in deiner Erinnerung noch lange präsent. Nicht selten nimmt man sich wunderbare Unikate als kleine Urlaubserinnerungen mit nach Hause und erfreut sich daran, wenn einen der Alltag wieder fest im Griff hat. Es sind dann die kurzen Momente der Erinnerung, die einen die Augen schließen und das Glücksgefühl wieder aufleben lassen.
Wie ist es aber mit Dingen, die wir täglich brauchen und die wir schnell und viel zu oft ganz achtlos nebenbei mal besorgen? Welche Erinnerungen hinterlassen sie bei uns?
Hast du jemals Kinderkleidung auf einem Flohmarkt gekauft? Ich muss gestehen, dass ich an einer Hand meine Flohmarkt-Besuche abzählen kann. Die Vorstellung, „ramschige“, „alles-1-Euro“ Kleiderkisten durchzuwühlen auf der Suche nach möglichst billigen Stücken, widerstrebte mir. Nicht, weil ich mich für etwas Besseres halte, im Gegenteil: der Anblick, der dort lieblos und bedeutungslos zusammengeknüllten Kleidung erzeugt in mir ein Gefühl der Unmut und der Traurigkeit. Warum haftet gebrauchter Kleidung dieser negative Beigeschmack an? Schließlich kennt man doch auch andere Konzepte vor allem in Großstädten: kleine Boutiquen mit ausgewählten, aber gebrauchten Kleidungsstücken, die im Regal ansprechend präsentiert werden und denen überhaupt nicht der „Charme des Ramsches“ anhaftet. Es sind alternative und hippe Geschäfte, die den Zeitgeist des Minimalismus, des nachhaltigen Konsums, der Achtsamkeit und der Wertschätzung würdigen. Hier kann man hochwertige second hand Kleidung in einem schönen Ambiente erwerben. Doch leider prägen diese Geschäfte nach wie vor Szeneviertel und sind eher eine Rarität denn Normalität. Ich bedauere, dass diese Art von Geschäftskonzept (noch) nicht Mainstream geworden ist und wünsche mir, dass dies sich zukünftig ändern wird. Es macht doch viel mehr Freude in Ruhe und ohne Gedränge nach den zukünftigen Lieblingsstücken zu suchen. Ich habe nach so einem Ort gesucht und solch einen Ort vermisst. Und da ich in meiner unmittelbaren Wohngegend kein solches Geschäft gefunden habe, habe ich selbst eines gegründet.
Dabei lege ich großen Wert auf die persönliche Geschichte der Kleidung. Wo war das Kleidchen oder die Hose schon überall? Welche Länder, Strände, Wälder haben sie gesehen? Wie viele Kinder haben es getragen? Gibt es ein Lieblingsfoto in diesem Kleidungsstück und wie war die Laune an dem Tag? Kinder lieben solche Geschichten. Wie wäre es, wenn man seinem Kind genau so ein Kleidungsstück voller Abenteuergeschichten und Erzählungen mit nach Hause bringt? Ich wäre als Kind unglaublich gespannt und hätte es danach mit anderen Augen gesehen. Ohne Zweifel wird die Phantasie angeregt und schafft einen Bezug zu dem Kleidungsstück. Und unbewusst erfährt es vom Kind, von den Eltern mehr Wertschätzung. Weil das Kleidungsstück in sich Geheimnisse trägt und spannende Geschichten erzählt. Hat das Kind einen Bezug zu dem Kleidungsstück aufgebaut, wird es ganz anders damit umgehen: sorgfältiger, achtsamer. Nicht wie mit einem leblosen Objekt, sondern wie mit einem ganz besonderen Gegenstand. Wenn man noch dazu erzählt, wie diese Kleidung hergestellt wurde - von Hand gemacht - dann bringt man auch den Kindern bei, hinter die Fassade zu schauen und die Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. Die Arbeit dahinter wird für Kinder sichtbar. Ich bin sehr stolz darauf, dass es zu jedem gebrauchten Kleidungsstück bei MAMUMI eine kurze Geschichte gibt.
25.01.2022 Lüneburg